Unterwachung –das ist ein neues Wort, ein seltsames Thema. Daher zunächst einige Worte der Begründung, wie ich gerade darauf gekommen bin. Mein Berufsweg hat mich aus einem durch Vorgesetzte bestimmten Arbeitsbereich in ein nahezu vorgesetztenloses Dasein geführt. Dabei habe ich zu spüren bekommen, daß jetzt etwas fehlt. Nicht nur die starke Schulter, an der man sich gelegentlich anlehnen und ausweinen kann. Vorgesetzte sind für den Untergebenen nicht nur Schutz und Trost. Vielmehr sind sie ein wichtiges, vielfältig verwendbares Werkzeug bei der Durchsetzung von Plänen und Absichten. Wer ohne Vorgesetzte lebt, muß –sofern überhaupt aktiv –sich in vielen und weitverstreuten Beziehungen selbst durchsetzen. Wer einen Vorgesetzten hat, kann seinen Außenverkehr bei diesem konzentrieren, statt Kraft und Zeit auf viele, ständig wechselnde Querköpfe zu verschwenden, er kann Geist und Geschick sozusagen an einer Stelle konzentriert einsetzen und in die Beziehung zum Vorgesetzten etwas investieren, um aufgrund dieser Beziehung dann diese Potenz zu benutzen – ohne ihm damit notwendigerweise auch den Ärger abzunehmen. Natürlich konzentrieren sich mit den Chancen auch die Risiken. Manche Vorgesetzte erweisen sich als so unkooperativ, so schwierig oder auch so ungeschickt, daß es besser wäre, die Fäden selbst in die Hand zu nehmen. (Luhmann 2016)
Luhmann, Niklas (2016): Der neue Chef. 2. Auflage. Hg. v. Jürgen Kaube. Berlin: Suhrkamp.