Erzählungen

Monat: März 2023

Das Leben der Anderen

Anfangs waren die Geschichten der Anderen in Blogs, auf TikTok und Insta irgendwie tröstlich. Da gibts andere Betroffene und deren Erzählungen helfen dabei, sich eine Vorstellung davon zu machen von dem, was auf einen zukommt. Anders als Einverständniserklärungen, Aufklärungshefte, Beipackzettel, Chemopläne. Nur gibt es da ein großes Aber. Ein Beispiel. Ich las auf einem Instaaccount, der anderen Krebsbetroffenen Mut machen soll, ein wenig herum. Bis – ja bis ich auf einen Beitrag stieß, in dem es um ein Arztgespräch ging. Die Autorin schreibt sinngemäß: Die Ärztin habe ihr die gute Nachricht verkündet, es sei keine Chemotherapie nötig und die Autorin beschreibt ihre Dankbarkeit, dass ihr nun doch „das Schlimmste“ erspart bliebe.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Nur: Mein Krebs kann eben nicht operiert oder bestrahlt werden, meiner lässt sich nur „weggiften“. Eben mit Chemotherapie. Sicher, es gehört zu den Bewältigungsstrategien, sich selbst immer wieder klar zu machen, es könnte alles schlimmer sein und im Grunde habe man selbst ja immer noch Glück, andere sind schlechter dran. Das Schreiben, posten, bloggen, vloggen über Krebs, das Öffentlichmachen ist am Ende ja auch „nur“ eine Bewältigungsstrategie. Vielleicht muss man sich das selbst immer wieder klar machen, damit die Erfahrungsberichte der Anderen eine Hilfe sein können. Und kein Maßstab, wie beschissen man selbst* dran ist.

*Ich, die Glück hat, weil sie sich den „besten aller Krebse“ heraussuchte (Zitat aus irgend einem der vielen Arztgespräche).

#Wartezimmer (2)

Auf einmal wird das Leben zum Wartezimmer. Ich hatte davon gelesen, der Kampf gegen den Krebs sei nicht nur ein physischer, sondern auch ein psychischer. Und das stimmt. Durch die Diagnose wird man aus der Bahn geworfen, das bisherige Leben gerät völlig aus den Fugen, aus dem bisherigen Leben herausgerissen, in ein Wartezimmer gesperrt. Es wandelt sich, das Zimmer. Mal ist es das Wartezimmer einer onkologischen Ambulanz, mal das der Chirurgie, mal das vom Hausarzt, manchmal die eigene Wohnung. Warten auf Untersuchungen, auf Arztgespräche, auf Blutabnahmen, Eingriffe und auf die Therapie. Mein ständiger Begleiter: Angst. Auf Beipackzetteln, Einverständniserklärungen, in Aufklärungsgesprächen: ständig konfrontiert mit Risiken, Komplikationen, es ist quasi alles potentiell tödlich, was ich tun muss und womit ich mich einverstanden erklären soll. Dass ich mich körperlich eigentlich ganz gesund fühle, macht es nicht einfacher. Ich muss mir immer wieder sagen: Du bist nicht gesund. Du bist krank. Gesund ist erst einmal vorbei und diese Zellen, die da so ausgetickt sind, sind eine Zeitbombe, die dich über kurz oder lang umbringt. Dabei soll man doch optimistisch bleiben, zuversichtlich. Hoffnungsvoll. Krebs macht Angst. Angst selbst vorm Hoffnung haben. Vielleicht ist es ja ein frühes Stadium – „Sie sind fortgeschritten“. Vielleicht wird es nicht die ganz aggressive Chemotherapie – „Sie werden nach dem Schema BEACopp eskaliert behandelt“. Zuversicht. Ich gäbe viel für etwas Zuversicht.

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