Dieser Satz ist ein Zitat des sächsischen Ministerpräsidenten in einem insgesamt sehr guten und wie ich meine durchaus „sprengstoffgeladenem“ Interview in der Freien Presse Kretschmer über Corona-Krise: „Wir waren im Herbst noch zu zögerlich“ (freiepresse.de). Ich kann nur wärmstens empfehlen, das Interview vollständig zu lesen, dafür lohnt sich auch der geringe Aufwand eines Testzugangs.

Weiter formuliert Kretschmer, ihm sei nicht klar gewesen, dass „das Personal in Aue schon seit sechs Wochen vor meinem Besuch am 11. Dezember am Limit arbeitete.“ Die gesellschaftliche Stimmung sei im November noch so gewesen dass ihn Bitten erreicht hätten, „doch dieses oder jenes zusätzlich zu öffnen. Mediziner auf Intensivstationen bemängeln zu Recht, dass auch heute noch ein gesellschaftlicher Konsens fehlt.“

Zuerst war ich etwas sprachlos, zugegeben, und dachte nur, was für eine unkluge Aussage. Es gibt sie zwar, diese Chef:innen, die auf die fachliche Kompetenz ihrer Mitarbeiter:innen keinen Deut geben und man sich als Mitarbeiter:in die Finger zuerst wund schreibt und den Mund fusselig redet, es irgendwann dann aber mal sein lässt und beide nicht mehr verbrennt. Dieser Grad an offensichtlicher Uninformiertheit oder Ignoranz lässt sich nicht mehr mit Inkompetenz im Mitarbeiter:innenstab oder fehlendem Vertrauen in selbigen erklären. In so einer dichten Filterblase hätte man vielleicht das Frühjahr überstehen können, nicht aber den Herbst. Auf der Karte von @risklayer war sächsische Landkreise zu der Zeit, als der Ministerpräsident so erschrocken sein will, längst schwarz:

https://twitter.com/risklayer/status/1336789533778714625?s=20

Und Sachsen hatte die Inzidenz-Spitzenreiterposition übernommen:

https://twitter.com/risklayer/status/1336840452750893056?s=20

Warnungen gab es übergenug in den klassischen und den sozialen Medien, der tägliche Pressespiegel dürfte Warnungen genug enthalten haben. Natürlich, es gab und es gibt Gegenwind, es gab und es gibt Menschen, die Corona nicht ernst nehmen, das sind bei weitem nicht nur die so genannten „Covidioten“. Und es gibt diese Menschen natürlich auch in Entscheidungs- und Führungspositionen. An dieser Stelle zeigt sich dann, was (Un)Belehrbarkeit heißt. Natürlich, es sind keine einfachen Entscheidungen, Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen zu verhängen und was Appelle an die Vernunft bringen, davon können Lehrer:innen ein Lied singen. Entscheidungen treffen zu müssen – echte Entscheidungen – sind wohl im Leben von Politiker:innen so ziemlich das Schwerste und Unangenehmste, was ihnen widerfahren kann. Solche Entscheidungen, die unmittelbare Folgen, tatsächliche Konsequenzen haben. Da wartet die eine Ebene gern auf die andere und am allerbesten ist es, wenn Entscheidungen, die zunächst weh tun und unangenehme Folgen haben, jemand anders getroffen hat, man selber „nur“ gezwungen ist, die Entscheidung weiterzugeben oder umzusetzen. Es ist an dieser Stelle unnötig, die ganze Historie des Umgangs mit Corona aufzuarbeiten, das können andere besser.

Herr Kretschmer hat – und das lässt am meisten aufmerken, in diesem Interview sein Kabinett und insbesondere seine Gesundheitsministerin ans Messer geliefert, die Ministerin, die seit Mitte Oktober, seit dem die Ministerpräsidenten sich wie unbelehrbare kleine Jungs aufführten und meinten, der Kanzlerin zu zeigen, dass sie die wahren Landesfürsten sind, erstaunlich still war. Es wird spannend, welche Kreise dieses Interview noch ziehen wird.