Nach dem ersten Zyklus Chemotherapie bekomme ich eine leise Ahnung, was das heißt, Krebs bekämpfen. „Es ist eine gezielte Vergiftung des Körpers“ sagte der Notarzt vor zwei Tagen. Ich habe das verdrängt, versuche es eigentlich immer noch zu verdrängen. Die Tatsache, dass der Körper gezwungen ist an mehreren Fronten zu kämpfen. Mit dem Krebs und mit dem Gift. Ich hatte das Glück, bisher nie wirklich krank gewesen zu sein und habe das, so stelle ich jetzt erschrocken fest, nicht als Geschenk, sondern als Selbstverständlichkeit angesehen, ja, auch als eine Verpflichtung. Krank sein heißt Schwäche und Schwäche ist keine Option.

Ich hatte das Privileg, die ersten drei Infusionstage in der Tagesklinik im Bett absolvieren zu dürfen und nun weiß ich auch, warum. Vor den eigentlichen Infusionen gibt es Kochsalzlösung, Infusionsbeutel mit Medikamenten zum Nierenschutz, Kortison und gegen Übelkeit. Dann wieder Kochsalzlösung und dann die eigentliche „Therapie“. Zwei Beutel und eine größere Spritze, letztere darf nur ein Arzt verabreichen. Danach wieder Kochsalzlösung und was zum Nachspülen. „Sich aufgeschwemmt fühlen“ bekommt hier eine völlig neue Bedeutung. Und dann dieser Geruch in der Nase wenn der Port gespült wird.

„Es ist eine andere Übelkeit“ sagte mir eine Schwester in der Tagesklinik, „warten Sie nicht drauf, sie muss nicht kommen“. Aber sie kam. Tag zwei also mit Krankentransport hin und zurück. Hatte ich erwähnt, dass ich in der vierten Etage ohne Fahrstuhl wohne? Meinen höchsten Respekt an die Besatzung, die mich klaglos hochtrugen. Ich. Musste. Die. Treppe . Zu. Meiner. Wohnung. Getragen. Werden. Getragen! Vor ein paar Monaten bin ich noch auf Zweitausendern herumgestiefelt und im Januar 20 km Langlauf …

Tag 2 ging es dann also erst einmal mit Elektrolytlösungen weiter, noch mehr Flüssigkeit, noch weiter aufgeschwemmt. Tag 3 konnte ich aber schon wieder selber die Treppe herunter und hoch. An diesen beiden Tagen gibts die entspannteren Therapien. 4 Tage nur Tabletten ohne Infusionen, den Hauch von Optimismus, der sich eingestellt hatte, verdarb das Labor. Die Leukos lagen im Nullkommabereich, also prophylaktische Antibiose. Fieber messen.

Tag 8 durfte ich dann in den Sesselbereich. Rapsfeld mit Meerblick – das heißt ein Fensterplatz vor der Rapsfeldtapete im Tagesklinik-Jargon. Man kann mit laufender Infusion sogar essen, bisher hatte ich das nur skeptisch beobachtet. Nun konnte ich es selber testen. Danach noch in die Apotheke – allein laufen, das Stück vom Haus 31 zur Apotheke am Parkhaus, ohne Schwindel, neue Rezepte einlösen, Sonnenblocker kaufen – und wieder zurück. Den leichten Anfall von Optimismus dämpften dann gleich mal wieder die neuen Nebenwirkungen. Wie geht es Dir. Ich weiß nicht was ich antworten soll. Vielleicht schaffe ich morgen mal so etwas wie einen Spaziergang.