Es stimmt, dass die soziologische Analyse dem Narzissmus nicht gerade schmeichelt und mit dem zutiefst selbstgefälligen Bild von der menschlichen Existenz, das all jene verteidigen, die von sich als von den »unersetzlichsten aller Lebewesen« denken möchten, einen radikalen Bruch vollzieht. Nicht minder aber stimmt, dass sie eines der machtvollsten Instrumente der Erkenntnis seiner selbst als eines sozialen, das heißt einmaligen Lebewesens ist. So mag sie zwar die illusorischen Freiheiten in Frage stellen, in deren Besitz sich diejenigen wähnen, die in dieser Selbsterkenntnis einen »Abstieg in die Hölle« erblicken und alle Jahre wieder der jeweils neuesten, dem Tagesgeschmack angepasste Erscheinungsform der »Soziologie der Freiheit applaudieren […] doch bietet sie auch einige der wirksamsten Mittel, um jene Freiheit zu erlangen, die sich den sozialen Determinismen mit Hilfe der Erkenntnis dieser sozialen Determinismen immerhin abringen lässt. (Bourdieu und Beister 2012, S. 9)


Bourdieu, Pierre; Beister, Hella (2012): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. 8. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Edition Suhrkamp, 1985 = N.F., 985).